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Psychologie-Studium an der Sektion „Ökonomische Kybernetik“!?

Alles war in der DDR der Anfangsjahre im Aufbau. Nicht alles konnte von der Sowjetunion übernommen werden. Es wurde nach Neuem und Besserem gesucht. Auch die Psychologie in der DDR, speziell die Teildisziplin Sozialpsychologie innerhalb der DDR arbeitsteilig in Jena. Von einer Sozial-Psychologie hatte man offenbar unklare Vorstellungen. Sie konnte jedoch keine bürgerlich Psychologie sein, mußte jedenfalls “ marxistisch-leninistisch“ sein bzw. der  Philosophie des dialektischen Materialismus entsprechen.

Die weltweite Entwicklung der Kybernetik seit Ende des Krieges (Norbert Wiener) wurde auch in der DDR vor allem vom Philosophen Georg Klaus verfolgt, von der Parteiführung durch Walter UIbricht gefördert  und als Möglichkeit der Optimierung der Steuerung der Gesellschaft betrachtet. Die Verfechter der DDR-Kybernetik waren damals bestrebt, zur Entwicklung der Philosophie des dialektischen Materialismus beizutragen und diese auf das Niveau der modernen Natur- und Sozialwissenschaften zu bringen. So wurde beispielsweise der Studiengang Ökonomische Kybernetik Ende der 1960er Jahre konzipiert und an einigen Hochschulen der DDR eingeführt. Speziell an der Uni in Jena gab es dafür interessante Ansätze und Versuche, die Kybernetik als universelle und übergreifende Lehre in die Wissenschaft und Gesellschaft der DDR zu integrieren (Jérôme Segal: Die Einführung der Kybernetik in der DDR). Deshalb wurde ich 1970 an der FSU Jena noch an der Sektion „Ökonomische Kybernetik“ immatrikuliert. Aber nach dem Machtwechsel in der SED-Führung von Walter Ulbricht zu Erich Honecker wurden diese Bestrebungen der Kybernetiker schon Anfang der 1970er Jahre  abgebrochen – aus ideologischen Gründen. Deshalb studierte ich nach einer Hochschulreform ab 1971 dann Sozialpsychologie an der Sektion Psychologie an der FSU Jena. Die Kybernetik als allgemeine Theorie von Steuerung und Kommunikation hätte sicher auch für das Verständnis von Kooperation und Kommunikation zwischen Menschen in der Sozialpsychologie wesentlicher Erklärungsansatz sein können. Und Georg Klaus mit seiner Philosophie und Kybernetik mit ihren Teilgebieten der  Systemtheorie, Regelungstheorie, Kontrolltheorie, Informations- und Kommunikationstheorie, Spieltheorie beeinflußte dennoch weiterhin stark unsere psychologische Lehre und Forschung.

„Auch von Seiten der Philosophen und Naturwissenschaftler gab es weiterhin scharfe Kritik, doch das Charisma von Klaus, zweimal Träger des Nationalpreises für Wissenschaft und Technik und Überlebender der Todescamps, versagte diesen Kritikern den Zugang zu den Zeitschriften. So wurde die Rezension von Klaus Fuchs-Kittowski (geb. 1934) von Klaus’ Kybernetik in philosophischer Sicht, die für die Deutsche Zeitschrift für Philosophie verfaßt worden war, dort nicht veröffentlicht. Fuchs-Kittowski warf Klaus in diesem als ein „Ein Beitrag zur Überwindung des Dogmatismus in der Philosophie“ gedachten Artikel, der sich ebenso gegen die „Gewis“ wandte, einen eigenen Dogmatismus in seiner Einführung der Kybernetik vor. Höchstwahrscheinlich ist, daß die Kybernetik, so wie sie von Klaus eingeführt worden war, schließlich zu mächtig geworden war, insbesondere bezüglich der Legitimierung einiger geisteswissenschaftlicher Bereiche wie der in der DDR noch wenig etablierten Psychologie. So hatte die Kybernetik nach einer relativ wissenschaftlichen Auffassung ermöglicht, in der Psychologie (oder eher in der “ marxistischen Psychologie „) Begriffe wie die der Arbeitsproduktivität zu definieren.“  (http://www.jerome-segal.de/Publis/Kyb-DDR.htm)

  • Immerhin kam es zur Etablierung einer „marxistisch-leninistischen Sozialpsychologie“ in Jena unter Prof. Hans Hiebsch und Prof. Manfred Vorwerg.
  • Immerhin war die Etablierung des Bereichs Sozialpsychologie innerhalb einer Sektion der  „Ökonomischen Kybernetik“ an der FSU Jena wegweisend für die Ausrichtung von Psychologie für die sozialistische Wirtschaft.
  • Immerhin suchten wir auf dem Gebiet der Sozialpsychologie nach neuer Fundierung und möglichst nach naturwissenschaftlich-mathematischer Begründung (z.B. Spieltheorie).
  • Immerhin erlangte Prof. Friedhard Klix mit seinen kognitiv-psychologischen Forschungen über „Information und Verhalten“ weltweite Anerkennung und leistete – seiner Zeit voraus – damit Entscheidendes für die Entwicklung von „Künstlicher Intelligenz“.

Ich habe später am Beispiel des Philosophen Dr. Helmut Metzler erlebt, der an der Uni, bei Zeiss und später auch bei den Psychologen an der Uni arbeitete, wie er das Verständnis von „Kybernetik“ auf alle möglichen Gebiete fördernd anwenden konnte. (Helmut Metzler: Logik an der FSU in den 1950er Jahren, TABVLA RASA Ausgabe 44, August 2011 )

 

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