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Mein Freund, der Jugendforscher

Mein Freund, der Jugendforscher

„In der Jugend lernt, im Alter versteht man.“  (Marie von Ebner-Eschenbach)

Bestimmt ist es ebenso richtig, die Jugend zu verstehen und mit ihr angemessen umzugehen. Denn die jungen Menschen sind in einer Gesellschaft die Zukunft. Deshalb ist es sehr wichtig, daß die Jugend „richtig“ heranwächst und später den Staffelstab von den Älteren übernehmen kann.  Jugendforschung sollte der Landesführung die Daten und Fakten sowie die Zusammenhänge und Trends über die jungen Menschen ermitteln und aufbereiten, die als Grundlage für eine erfolgreiche Jugendpolitik erforderlich sind.

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Dr. Hans Werner Holzweißig war mein Freund „Holzi“ während unserer Lehrausbildung mit Abitur in Lauchhammer-West. Zusammen mit „Wolli“ (Frank Wollermann) waren wir drei enge Freunde – auch im Lehrlingswohnheim. Nach Abschluß der Lehre und des Abiturs trennte uns 1970 das weitere Leben. Jeder ging in eine andere berufliche Richtung: Wolli studierte Verkehrswissenschaften in Dresden, ich studierte Sozial-Psychologie in Jena, während Holzi ein Soziologie-Studium in Leipzig absolvierte. Er promovierte später auch auf diesem Gebiet und arbeitete schließlich im Zentralinstitut für Jugendforschung“ in Leipzig, vor allem mit der Landjugend. Bei einem meiner Besuche in Leipzig am ZIJ trafen wir uns voller Überraschung und Freude wieder, denn wir hatten seit dem Studium keinen Kontakt mehr. Für mich war es sehr interessant, daß mein früherer Freund sich in meinem fachlichen „Nachbarbereich“, der Soziologie, etabliert hatte.

Nach der Wende 1990 kam Hans Werner mit seinen guten Referenzen vom ZIJ in einem Marktforschungsinstitut in Leipzig unter. Er wurde Geschäftsführer der „Marfos Marktforschung GmbH“ in Leipzig. Der Gegenstand der Gesellschaft war „Beratung und Service für empirische Forschung, Stichprobenberatung und Stichprobenziehung sowie Forschungskooperation“. Ich besuchte ihn einmal in seinem empirischen Studio im Zentrum Leipzigs. Er demonstrierte mir dabei, wie in seinem Institut mit modernster Technik und Methodik beispielsweise Varianten von Titelblättern der „Klatsch-Zeitungen“ von Probanden getestet und dann die wirksamsten Versionen für die Veröffentlichung vorgeschlagen wurden. Solche Geld bringenden Forschungen bei Marfos haben unter den BRD-Bedingungen eine völlig andere Ausrichtung als die Forschungen bei JIJ in der DDR.

Im Jahre 2011 war für mich dann eine Nachricht interessant, daß Marfos und HMI gemeinsam Künstliche Intelligenz für die Marktforschung nutzen wollen: „Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marfos Marktforschung GmbH sowie die Human Machine Intelligence GmbH, Anbieter von Software im Bereich Künstlicher Intelligenz, starten eine strategische Allianz.“ (Strategische Allianz; 17. Oktober 2011)

Aber, alles hat mal ein Ende und so ging mein früherer Freund Dr. Hans Werner Holzweißig 2015 in den verdienten Rentenstatus („Der Kuchen hat nicht mehr dieselbe Größe“,09.10.2015)

Ressourcen:

„Zentralinstitut für Jugendforschung“ 

Das  „Zentralinstitut für Jugendforschung“ (ZIJ) der DDR (1966 bis 1990)

Das ZIJ in Leipzig war von mir hochgeschätzt. Es erfüllte meine Kriterien einer fundierten Arbeit für die sozialistische Gesellschaft:

  • psychologisch, weil es im Kern um einzelne und größere Gruppen von Menschen ging;
  • interdisziplinär (Psychologe, Soziologen, Pädagogen, Statistiker u.a.), weil eine Fachdisziplin das Leben ungenügend abbilden kann;
  • methodisch, weil auch Sozialwissenschaft für solide Aussagen und Schlußfolgerungen bestimmte Wissenschafts-Kriterien erfüllen muß;
  • angewandte Arbeit, weil sich eine Theorie (in einer wissenschaftlichen Disziplin und auch für die gesamte Gesellschaft) nur in der (gesellschaftlichen) Praxis beweist;

Das ZIJ existierte unter Leitung von Walter Friedrich als wichtige sozialwissenschaftliche Einrichtung der DDR stets in der Gefahr, sofort liquidiert zu werden, weil die Partei- und Staatsführung mit der sauberen wissenschaftlichen Arbeit der Institutsmitarbeiter sehr genau die Lage und Stimmung (in der Jugend) der DDR ermittelt wurde. Deshalb erfolgten die allermeisten Veröffentlichungen des ZIJ nur intern. Das Institut hätte auch anderen Sozialwissenschaftlern enorme Impulse geben können. Allerdings sind die fleißigen und vielfältigen Ergebnisse des ZIJ hochinteressant –  auch nach dem Ende der DDR (siehe Übersicht ganz unten).

„Die Entwicklung der Denk- und Verhaltensweisen, der Interessen, Bedürfnisse und Motive von Lehrlingen, jungen Arbeitern und Angestellten einschließlich der damit verbundenen Prozesse und Bedingungen standen vor Gründung des Instituts an stets im Mittelpunkt der theoretischen und empirischen Forschungen.“ (Zur Entwicklung der Arbeiterjugendforschung am ZIJ)

Wesentliche Gebiete der empirischen Forschung des ZIJ waren:

  • Intervallstudien zur Entwicklung im Kindes- und Jugendalter (und darüber hinaus);
  • allgemeinpsychologische Studien zur Intelligenzentwicklung und Kreativität;
  • die Zwillingsforschung, die auch international anerkannt war
  • die Sexualforschung

Bekannte Mitarbeiter des „Zentralinstitut für Jugendforschung“ (ZIJ)

Literatur:

Methoden der marxistisch-leninistischen Sozialforschung.
Autor: Walter Friedrich
Verlag: Berlin, Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1973

Walter Friedrich und Werner Hennig (Hg.): Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß. Zur Methodologie, Methodik und Organisation der marxistisch-leninistischen Sozialforschung (1975)

 

  • Zusammenstellung der Studien des ehemaligen Zentralinstituts für Jugendforschung Leipzig, deren Daten weiterhin verfügbar sind, geordnet nach Bereichen. Gebundenes Buch, 1982, von C. Klar / R. Ludwig, Verlag: Leipzig: Deutsches Jugendinstitut München e. V.; Außenstelle Leipzig, Anfang der 90er Jahre, ca. 100 S./Schreibmaschinenschrift, , A4-Format, Spiralbindung. (1982), ASIN: B00HOU5WRA
  • Studenten im Spannungsfeld von Leistung und Kultur,  Neue Hochschule,  26. Jahrgang (1983),  Nummer 13

 

Achim Hoffmann und Gerlinde Mehlhorn: Ich bin Student

  • Verlag: Berlin Deutscher Verlag der Wissenschaften, (1983)
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0043I4D3U

 

 

 

 

 

 

Hauptergebnisse der Forschungen des ZIJ  in den achtziger Jahren

Quelle: https://www.ssoar.info

1. Arbeiterjugend 4
1.1. Das Verhältnis der jungen Werktätigen zur Arbeit 4
1.2. Die Holle der Jugendbrigaden bei der Leistungserhöhung und der sozialistischen Erziehung der jungen Werktätigen
1.3. Die Bedeutung der Jugendforscherkollektive für die Meisterung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts
2. Landjugend 16
2.1. Politisch-ideologische Entwicklung 18
2.2. Einstellung zur Agrarpolitik der SED 19
2.3. Zur Reproduktion der Klasse der Genossenschaftsbauern
2.4. Einige Überlegungen zur Entwicklung des Genossenechaftsbewußtseins
2.5. Besondere Förderung der Mädchen und jungen Frauen in der landwirtschaftlichen Produktion
2.6. Fragen der Freizeitgestaltung im Dorf 25
2.7. Jugend und Migration 28
3. Komplexe Forschungen 34
3.1. Zur Tätigkeit der Propagandisten der FDJ 34
3.2. Zu stadtsoziologiscben Forschungen 36
4. Jugend und Bildung 40
4.1. Steigerung der Intelligenztestleistung 40
4.2. Gewachsenes Bildungs- und Qualifikationspotential 41
4.3. Anstieg der MMM- und Keuerertätigkeit 42
4.4. Probleme der Butzung des Bildungs- und Begabungspotentiale junger Ingenieure in Forschung und Entwicklung
5. Studenten

6. Kultur- und Medienforschung 68
6.1. Übergreifende Grundaussagen über die kulturellen Verhaltensweisen Jugendlicher
6.2. Entwicklung im Medienverhalten Jugendlicher 71
6.3. Zu einigen grundlegenden Ergebnissen des Medienverhaltens Jugendlicher
6.4. Zum Gebrauch ausgewählter Künste 75
7. Junge Ehe / Demographie 50
7.1. Zur Entwicklung junger Ehen 90
7.2. Zur Konfliktanfälligkeit junger Ehen 93
7.3. Sozialstatistik / Demographie 95
8. Jugend und Familie 99
8.1. Zur Entwicklung der sozialen Beziehungen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern
8.2. Zum Einfluß der Partnerbeziehungen der Eltern auf die Persönlichkeit der Heranwachsenden
8.3. Zum Gesundheitsverhalten Jugendlicher 102
9. Freizeit 106
9.1. Zunehmende Bedeutung der Freizeit 106
9.2. Jugend im Territorium 107
9.3. Probleme der Freizeitgestaltung in großstädtischen Neubaugebieten
9.4. Verbesserung der Wohnbedingungen 109
9.5. Sport und Touristik 110
10. Jugend und Recht 114
10.1. Rechtsbewußtsein der Jugend 114
10.2. Jugend und sozialistische Demokratie 116
10.3. Soziale und kriminelle Gefährdung Jugendlicher 117

Bildquelle: POSITION – Magazin der SDAJ #3/2010.

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