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Jürgen Sparwasser

Fußball, Fußball über alles

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Sportlicher Sieg der DDR über die BRD während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974

„Einige Leute halten Fußball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es weit ernster ist.“ (Bill Shankley)
„Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes.“ (Umberto Eco)

Ich erlebe DAS Fußballereignis in einem georgischen Bergdorf

Im Sommer 1974 erhielt ich die Möglichkeit, mit einer Gruppe von Studenten und Mitarbeitern der Sektion Psychologie der Friedrich-Schiller Universität Jena zu einem Besuch an der Universität Tiflis nach Georgien zu reisen. Die georgischen Gastgeber zweigten uns während unseres Aufenthaltes auch voller Stolz ihr wunderschönes Land. Bei dieser Gelegenheit konnten wir auch in die Nähe des Kasbek reisen, des dritthöchsten Berges Georgiens, der zugleich auf der Spitze die Grenze zwischen Rußland und Georgien bildete. Wir gelangten in das kleine Örtchen Kasbegi (offizieller Name: Stepantsminda), wanderten dort in der wunderschönen Natur des Kaukasus, wollten aber alle eigentlich sehr gern am Abend ein Fußballspiel im Fernsehen anschauen. Aber wo? Der Ort war damals noch übersichtlich klein mit den georgischen Gebirgs-Häusern, die typischerweise ummauert waren. Fernsehen gab es hier offensichtlich (noch) nicht. Nur die Milizstation im Dorf hat einen kleinen Fernseher. Wir konnten die diensthabenden Milizionäre überzeugen, daß unsere 15-köpfige Gruppe in ihrer kleinen Hütte sich vor dem winzigen Monitor positionieren durfte, um ein einmaliges Fußballereignis zu erleben: Das Spiel in der Weltmeisterschaft zwischen DDR und BRD.

Bildquelle: https://www.my-travelworld.de/georgien/reisebericht-georgien/

1974 wurde im Juni/Juli auf dem Gebiet der BRD (die sich konsequent „Deutschland“ nannte) die Weltmeisterschaft im Fußball ausgetragen.
Das wurde nicht nur Fußball, sondern auch ein Kampf der Hymnen. Die west-deutsche Hymne ist gut, aber nicht so gut wie die Hymne der DDR.
Zum ersten und einzigen Mal trafen die Fußballmannschaften der DDR und der BRD aufeinander. Der Deutsche Fußball-Verband der DDR mit der Fußballnationalmannschaft der DDR qualifizierte sich für das große Fußballturnier der Weltmeisterschaft und zusätzlich wurden beide Mannschaften in eine Gruppe gelost.

Fußball zwischen deutschen Klassenfeinden

Zu Spielbeginn wurden nacheinander beide Nationalhymnen der DDR und der BRD gespielt. Wann gab es das bis dahin jemals?

Der DDR-Sport hatte sich auf diese Spiele beim Klassenfeind gut vorbereitet. Hier vermischten sich Sport mit Politik, und in der historischen Zeit des kalten Krieges auch ein Kampf zwischen den beiden Gesellschaftssystemen. Dieses Fußballspiel „vereinte“ vor den Radio- und Fernsehgeräten die Deutschen in Ost und West. Aber die Menschen im Westen (und auch viele in unserem Land) sahen auf die DDR herab, sahen sie nicht (mehr) als Gegner an. Die DDR war (im Fußball) keine Konkurrenz.

Die Zuschauer im Hamburger Stadion waren natürlich für ihre überlegene BRD-Fußball-Elf eingestimmt, die auch überheblich, lässig und schlecht spielte.

Doch die Fußballmannschaft aus der DDR spielte erstaunlich gut mit mehreren guten Torchancen. Und der DDR-Mannschaft gelang am 22. Juni 1974 die Sensation: Jürgen Sparwasser schoß in der 78. Minute das Siegestor für die DDR, schrieb damit Fußballgeschichte. Heinz-Florian Oertel, der legendäre Reporter, rief begeistert im DDR-Fernsehen: „Eine meisterliche Aktion“ und „Ein großartiges Spiel all unserer Männer.“

An diesem Junitag 1974  jubelten wir 15 DDR-Bürger im fernen georgischen Dorf Kasbegi vor dem Monitor in einer kleinen Milizstation ausgelassen und voller Freude. Wir waren stolz auf unser Land.

Fußball WM 1974: DDR – Sensation & Provokation

Menschen identifizieren sich mit „ihrer“ Sportmannschaft und darüber auch mit dem Land oder Staat dahinter. Ein gewisser Teil von Fußballfans in der DDR betrachteten (bis Ende der DDR-Existenz) die westdeutsche Fußballnationalmannschaft als die „deutschen“ Fußballer. Bekennend sangen sie dann sogar die westdeutsche Nationalhymne. Aber aus diesem  Fußballsieg der DDR über die BRD ergaben sich weltweite Medienberichte, die die DDR (in Unterscheidung zu Westdeutschland) nicht nur weiter bekannt machten, sondern auch die Identifizierung der Menschen in der DDR mit ihrem Land weiter verstärkten.

Die DDR-Fußballer schockierten damals mit ihrer sportlichen Leistung die Mannschaft der favorisierten Westdeutschen. Dieses verlorene Spiel  wurde im Westen sogar als „Schande“ erlebt. Die BRD-Medien berichteten von einer „unglücklichen Gruppenrunde“ des Turniers. Aber die westdeutsche Fußballmannschaft und ihre Offiziellen verbrachten nach dieser Niederlage eine schlaflose „Nacht von Malente“ in ihrem schleswig-holsteinischen Trainingslager: Franz Beckenbauer übernahm ab sofort die Führung der DFB-Mannschaft und schaffte es, den Teamgeist und den Siegeswillen zu aktivieren.  Danach lief das WM-Turnier mit der Mannschaft ohne Niederlage weiter. Letztlich wurden die Fußballprofis der BRD 1974 nach 1954 zum zweiten mal Fußball-Weltmeister (2:1 im Finale gegen die Niederlande).

Die BRD meldete in die Welt Deutschland ist Weltmeister“.  Die heilsame sportliche Niederlage gegen die Mannschaft der DDR trug dazu bei. Die DDR-Fußballer verließen die Weltmeisterschaft 1974 mit einem beachteten 6. Platz.

„Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Mann einem Ball hinterherlaufen, und am Ende gewinnt immer Deutschland.“ (Gary Lineker)

Ressourcen:

DDR : BRD – Ein Fußballspiel im kalten Krieg (Doku RBB 2004)

Quelle Titelbild: https://www.dfb.de/historie/ddr-fussball/

 

 

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