Gerd Gerken war ein Star seiner Zunft. Er wohnte in Worpswede, was einerseits passte, anderseits auch nicht. Denn dieses gefällige und etwas spleenige Künstlerdorf passte zu diesem schreibenden Bohemien, andererseits besaß er nicht diese Behäbigkeit und Erdverbundenheit der Niedersachsen rund um das Teufelsmoor.
Stets in schwarz-weißes Seidentuch gekleidet, empfing Gerd Gerken seine Gäste in der umgebauten Remise des Kreativen Hauses, die er von Helmut Weyh gemietet hatte und wo er Hof hielt inmitten von asiatischen Duftwässerchen, exotischem Fingerfood und sphärischer Musik. Ich war jung, ich war modern, doch so richtig beeindrucken vermochte mich solch ein Hokuspokus eigentlich nie.
Inhaltlich war mir dieser Autor eine Spur zu nebelhaft, zu diffus, zu viel Geschwurbel. ECON-Verleger Hero Kind hatte an Gerken einen Narren gefressen und uns 1988 zusammen gebracht. Hero Kind und ich waren – in punkto Autoren, Themen und Inhalte – wohl zu 99 Prozent einer Meinung. Und dieses eine Prozent betraf diesen Autor.
Es gab allerdings eine Sache, die ich an Gerken bewunderte. Er konnte, wie Karl Kraus meinte, auf einer Glatze eine Locke drehen. Er ersann immer wieder zugkräftige Buchtitel, kernige Begrifflichkeiten, freche Headlines. Abschied vom Marketing, Trends für das Jahr 2000, Management by Love, Erfolg durch Chaos – der überschriftliche O-Ton Gerken war meist spritzig, witzig, prägnant – und machte Lust auf Lesen.
Und da waren zweifellos auch einige Geistesblitze in Gerkens Bücher, die richtungsweisend waren. Wie wichtig beispielsweise Communities oder Viralität im Marketing werden würden, das hat er schon Ende der 1980er Jahre voraus gesagt, obwohl die Begrifflichkeit bei ihm natürlich damals eine ganz andere war.
Gerken besaß seine treue Gemeinde, er verkaufte richtig gut. Die Kirche war voll, die Predigt gefiel den Gläubigen. Und so habe ich ihn dann doch gerne verlegt. Ganz zum Schluss meiner ECON-Zeit haben wir uns dann ein wenig verkracht. Er nahm mir übel, dass ich 1993 mit Matthias Horx einen zweiten deutschen Trend-Guru neben ihm duldete und veröffentlichte, er fühlte sich von dem Jüngeren wohl vom Thron geschubst.
In den frühen 1990er Jahren war Gerd Gerken ganz oben auf, er war ein Mann, der einen Saal füllen konnte und Unternehmer Traum tanzen ließ. Mir bleibt er in Erinnerung als Paradiesvogel, der das Management und die Manager mit ziemlich seltsamen und wirren Ideen herausforderte und reizte.