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Meine Lebensmittekrise: Weiterleben in „Nemgorodok“ in Moskau?

Meine Lebensmittekrise: Weiterleben in „Nemgorodok“ in Moskau?

In der Mitte eines jeden Lebens tritt mehr oder weniger deutlich die Frage nach den Sinn des (weiteren) Lebens auf. Es erfolgt dabei eine Art Zwischen-Abrechnung des Lebens bis dahin mit Konsequenzen für die zweite Lebenshälte, die bei den meisten Menschen in eine Lebensmitte-Krise (englisch Midlife-Crisis) führt.  Dieser psychische Zustand der Unsicherheit im Lebensabschnitt von etwa 30 oder 40 bis 55 Jahren trat bei mir mit voller Wucht im 40. Lebensjahr ein – 1990.  Also, meine persönliche tiefe Krise war zugleich die tiefe Krise der sozialistischen Gesellschaft DDR oder umgekehrt: Das schnelle Zusammenbrechen und Ende dieser DDR war auch ein Ende für mich in vielen Hinsichten:

  • Meine ehrliche Lebensvision, zur Gestaltung der alternativen sozialistischen Gesellschaft beizutragen, wurde von anderen gelöscht, und eine neue gute Vorstellung von einem sinnvollen Leben hatte ich (noch) nicht.
  • Meine berufliche „Karriere“ als bekannter und geschätzter psychologischer Trainer in der DDR konnte nicht mehr höher gehen und brach sofort weg.
  • Mein geregeltes Arbeitseinkommen durch meine letzte Anstellung bei der Bauakademie der DDR fiel weg, weil diese in der BRD nicht benötigt und deshalb „abgewickelt“ (liquidiert) wurde.
  • Meine Familie mit zwei Kindern geriet in unüberwindliche Konflikte, so daß sie auseinander brach und die Scheidung folgte.

So strandete ich in den Wirren der gesellschaftlichen Wendezeit mit meiner persönlichen tiefen Krise 1990 allein in Berlin-Marzahn in einer DDR-typischen Neubauwohnung in einem Hochhaus, umgeben von meinen vielen Umzugskartons (in denen meine Vergangenheit gespeichert war).

Komm mit mir nach „Nemgorodok“ nach Moskau!

Bisher verlief mein Leben eigentlich immer so, daß ich plötzlich bestimmte Fügungen mit Chancen für den nächsten Lebensabschnitt erhielt. so war es auch jetzt wieder.

Auf der Suche nach Lösungen zumindest für meine persönliche Zukunft, für Arbeit und Einkommen geriet ich Anfang 1990 im Gebäude des in Auflösung befindlichen DDR-Außenhandelsministeriums in Berlin-Mitte in ein Gespräch mit dem Leiter der Handelsvertretung der DDR in Moskau. Wir hatten uns 1988 in Moskau bei der letzten großen „Leistungsschau der DDR-Volkswirtschaft“ auf dem Geländer der dortigen Allunionsausstellung kennen- und schätzengelernt. Ich war damals für die Qualifizierung und das Coaching des DDR-Ausstellungspersonal verantwortlich und arbeitete eng und gut mit ihm und seinen Mitarbeitern zusammen.  Während in meinem Beisein dieser erfahrene und erfolgreiche Außenhändler seine persönlichen Sachen im Berliner Büro zusammen packte, weil es buchstäblich gerade sein letzter Arbeitstag dort war, machte er mir das einmalige Angebot: „Komm mit mir nach „Nemgorodok“ nach Moskau. Dort haben wir genügend Freunde und Verbindungen, mit denen wir irgendwie überleben können. Überleg es Dir schnell, wir fliegen in zwei Tagen!“ Ich mußte ihm also bis morgen endgültig meine Entscheidung mitteilen. Alles andere würde er über den diplomatischen Weg noch schnell für mich klären können und wollen.

  • Die DDR hatte Ende der 1960er Jahre im Südwesten Moskaus, zwischen Leninski Prospekt und Prospekt Wernadski, vier Hochhäuser mit je 16 Etagen und ein Gebäude mit neun Etagen für die Diplomaten und ihre Mitarbeiter errichtet. In diesem Komplex »Nemgorodok« (Deutsches Städtchen), wie die Moskauer es nannten, lebten bis 1990 zirka 7000 DDR-Bürger.

Hier brach gerade die DDR und mein bisheriges Leben zusammen. Es war absehbar, daß wir in der feindlichen BRD „landen“ werden und diese Feinde würden mit uns System-Vertretern aus der DDR nicht sanft umgehen. Weiterleben in Moskau? Persönlich kannte ich dort bis dahin noch keinen Russen. Mein Russisch war vielleicht nur für die Alltagskommunikation ausreichend.  Aber das richtige Russisch könnte ich vor Ort schnell lernen. Aber, dort herrscht eine völlig andere Kultur als in Mitteleuropa, der DDR oder der BRD. Und, wie wird es überhaupt mit der Sowjetunion weiter gehen? Das war die große Unbekannte und Ungewißtheit! Aber, da ich gerade den Zusammenbruch des Sozialismus in der DDR erlebte, war ein Zusammenbruch auch der UdSSR wahrscheinlich. Doch, wie würde das Leben der Russen dann weiter gehen? Wie würde das konkret aussehen, während ich mich in dieser Zeit auch völlig neu etablieren müßte. Die absehbare „feindliche Übernahme“ der DDR würde in der funktionierenden BRD wahrscheinlich abgefedert. Aber wie würde das in der Sowjetunion laufen? Ich hatte nicht gerade Angst, vertraute mir, zudem mir sicher die Menschen aus der DDR in Moskau helfen würden.

Ich hatte die ganze folgende Nacht nicht schlafen können. Ich versuchte mir immer wieder ein neues Leben in Moskau vorzustellen. Wägte vieles ab. Vieles konnte ich mir nicht vorstellen, aber auch nicht mehr mit irgendwem besprechen. Ich kam zu keiner Klarheit und deshalb entschied ich mich letztlich zur dankenden Absage dieser Möglichkeit.

Forum geht`s im Leben?

„Forum geht es?“ war in der DDR eine Alltags-Formulierung mit kritisch-satirischer Anspielung auf ein spezielles Zahlungsmittel für DDR-Bürger, den sogenannten „Forumscheck“.

Wikipedia. „Als Forumscheck wurde in der DDR ein Zahlungsmittel bezeichnet, das von der Forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., einer 1976 gegründeten Tochterfirma des Bereichs Kommerzielle Koordinierung des DDR-Außenhandelsministeriums, ausgegeben wurde. Mit Forumschecks konnten DDR-Bürger in den Intershops einkaufen, dabei entsprach eine Forumscheck-Mark einer D-Mark.“

Das Konzept der Forumschecks war kein alleiniges DDR-Phänomen, sondern  ähnliche Zahlungsmittel mit ähnlicher Verwendung gab es auch in anderen sozialistischen Ländern: Volksrepublik Polen. Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR), Volksrepublik China, Republik Kuba.

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