Contents
Senftenberger Ei – Garten Sitzei aus der DDR
Peter Ghyczy Senftenberger Garten-Ei
VEB Synthesewerk Schwarzheide in Senftenberg 1968
Ein leuchtend rotes Ding aus Plaste, formvollendet und alltagspraktisch:
Das „Senftenberger Sitzei“ gehört zu den originellsten Relikten, die das Berliner DDR-Museum in seinem neuen Bildband „DDR-Alltag in 200 Objekten“ präsentiert. Das Gartenmöbel – zusammengeklappt eben eiförmig, wasserdicht und transportabel – wurde Anfang der 1970er Jahre vom VEB Synthesewerk Schwarzheide in Senftenberg produziert und kostete schon zu DDR-Zeiten ein Vermögen. Heute darf man auf eBay gerne mal ein paar Tausend Euro hinblättern.
Das Senftenberger Ei auf einem Leipziger Messestand in der DDR (12. März 1973)
Origrinal-Bildbeschreibung:
Leipzig-Messe; Möbel aus Thermoplaste im Dresdner Hof ausgestellt- Zum Sortiment der im Dresdner Hof ausgestellten Polyurethanmöbel gehört eine ganze Palette sogenannter Beistellmöbel, die vorwiegend für die Ausstattung von Wohnzimmern geeignet sind. Darunter befinden sich auch ein speziell zu diesem Zweck entwickelter Drehsessel „Schwedt“ sowie Hocker, Tische verschiedener Abmessungen und Blumenwannen. Die Polsterung der Sessel und Hocker erfolgt mit weichen Polyurethanschaumstoffen.
Senftenberger Ei im DDR-Museum Pirna
Das Senftenberger Ei und weitere Gegenstände aus Kunststoff im DDR-Museum Pirna.
Sessel mit einklappbarer Lehne, sog. „Senftenberger Ei“
Garten Sitzei von Peter Ghyczy, produziert in Senftenberg, DDR 1968
Pillenförmiger Korpus aus Kunststoff-Spritzgus mit aufklappbarer Rückenlehne, Originallackierung rot. Original Sitzpolster mit schwarzem „Dederon“ Stoff.
Peter Ghyczy Senftenberger Garten-Ei:
Der Westen, die BRD, brüstet sich mit Senftenberger Ei
https://www.dw.com/en/east-and-west-german-design-classics-over-40-years/g-59513640
Artikel in FAZ: Ei aus Algen
Das als „Gartenei“ bekannte verschließbare Möbel ist eine echte DDR-Ikone. Nun gibt es eine umweltfreundlicher Neuauflage aus Algen. Doch das Material hat einen Haken.
Das „Senftenberger Ei“ ist eine echte DDR-Ikone. Das wasserdicht verschließbare Gartenmöbel mit einer Außenverschalung aus witterungsbeständigem Plastik und herausnehmbaren Polstern war laut dem Wende-Museum in Kalifornien, das kurioserweise die weltgrößte Sammlung von Artefakten aus der DDR beherbergt, „typisch für den gestalterischen Innovationsdrang in der DDR“. Dabei kam der Entwurf, der auch als „Gartenei“ bekannt ist, eigentlich aus Westdeutschland. Peter Ghyczy, ein Deutscher ungarischer Abstammung, hatte ihn 1968 für den niedersächsischen Hersteller Elastogran entwickelt. Als der bankrottging, wanderte die Produktion 1972 in die DDR ab. Das VEB Synthesewerk Schwarzheide bei Senftenberg produzierte die ikonischen Entwürfe, von denen ein Großteil wieder in den Westen ging – mit 430 Mark waren sie schlicht zu teuer für viele Leute im Osten, damals entsprach das dem Monatsgehalt eines kleinen Angestellten.
Das Möbelstück war eines der ersten aus Polyurethan und somit ein Vorbote jener Zeiten, in denen hedonistische Wohnlandschaften aus Kunststoff von einer verheißungsvollen Zukunft kündeten. Der Wind hat sich naturgemäß gedreht. Das hat der Sohn von Peter Ghyczy erkannt und die Designer Eric Klarenbeek und Maartje Dros um Hilfe gebeten. Der Plan: das „Gartenei“ aus Bioplastik zu produzieren. Klarenbeek und Dros kennen sich bestens mit der Materie aus, schließlich forschen sie seit Jahren daran.
„Nach ausgiebigen Tests mit verschiedenen Extrudern und Druck-Robotern ist es uns gelungen, das Ei aus Algen herzustellen“, sagt Klarenbeek. Dafür werden im Labor gezüchtete heimische Algen angebaut und geerntet, in einer Art Entsafter getrocknet und die Trockenmasse zu Filamenten aus Biopolymeren verarbeitet. „Für die Herstellung des Stuhls haben wir über 150 Kilogramm Biopolymere aus Algen verarbeitet – das entspricht etwa einer Tonne Seetang.“
Mit dem Entwurf wollen sie beweisen, dass „klimapositive“ Möbelproduktion kein Luftschloss sein muss, denn Algen binden Kohlenstoffdioxid. Das aus den Zellen gepresste Süßwasser ist außerdem so nährstoffreich, dass Bauern es zum Düngen ihrer Felder nutzen können. Ein halbes Jahr arbeiteten die beiden am Algen-Ei. Es gibt nur einen kleinen Haken: Für den Garten ist der Biokunststoff nicht geeignet, denn unter Feuchtigkeit zerfällt die Biomasse. Zu sehen ist der Prototyp noch bis 4. September im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, anschließend im V&A-Museum in London. Peter Ghyczy starb kurz vor der Fertigstellung am 10. März. Er wurde 81 Jahre alt.