Als „Boomer“ bedenke ich neue Technologien

Warum haben die Baby-Boomer (1946-1964) heute Angst vor neuer Technologie?

Ein Kernproblem für viele Baby-Boomer-Generation (geboren zwischen 1946 und 1964) ist ihr Erleben eines fundamentalen Widerspruchs:

Sie wollen die Abhängigkeit und das Ausgeliefertsein von Technik und Technologie nicht, müssen aber in einer immer dynamischer technisierten Welt leben.

Dies führt zu einer komplexen Gefühlslage, die oft von folgenden Punkten geprägt ist:

  • Verlust von Kontrolle: Die rapide Entwicklung und Allgegenwärtigkeit von Technologie kann das Gefühl vermitteln, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, da immer mehr Bereiche digitalisiert werden und traditionelle Wege obsolet werden.
  • Zwang zur Anpassung: Anstatt Technologie als Hilfsmittel frei wählen zu können, empfinden sie oft einen Zwang zur Anpassung, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können (z.B. Online-Banking, digitale Behördengänge, Kommunikation über Messenger-Dienste).
  • Mangelndes Verständnis für die Black Box: Für viele ist die Funktionsweise moderner Technologien eine „Black Box“. Sie nutzen sie, ohne die zugrundeliegenden Mechanismen wirklich zu verstehen, was ein Gefühl des Ausgeliefertseins verstärken kann.
  • Sorge um menschliche Interaktion: Die zunehmende Technisierung führt zu einer Reduzierung direkter menschlicher Interaktionen, was für eine Generation, die noch stark in persönlichen Beziehungen verwurzelt ist, als Verlust empfunden werden kann.
  • Unbehagen bei der Preisgabe von Autonomie: Die Vorstellung, dass Algorithmen und Systeme Entscheidungen beeinflussen oder gar treffen könnten, die früher menschlicher Urteilskraft oblagen, kann als Angriff auf die persönliche Autonomie empfunden werden.

Kurz gesagt, viele Baby-Boomer sehen sich gezwungen, eine Rolle in einer technologischen Welt zu spielen, deren Regeln und Implikationen sie nicht immer vollständig verstehen oder kontrollieren können, was zu einem Gefühl der Wehrlosigkeit und der unerwünschten Abhängigkeit führen kann.

Die Baby-Boomer-Generation ist nicht pauschal „ängstlich“ vor neuer Technologie, aber sie steht vor spezifischen Herausforderungen und Bedenken, die ihre Herangehensweise prägen:

  • Zu schnelles Tempo des Wandels: Das rasante Tempo des technologischen Fortschritts und die ständig wachsende Fülle an digitalen Tools und Plattformen ist für diese Generation (nicht nur für diese!) überfordernd und wirkt einschüchternd.
  • Finanzielle Ängste: Für Baby-Boomer, die den Wandel der Wirtschaft hautnah miterlebt haben, stehen auch finanzielle Ängste im Raum, die sich auf die Akzeptanz neuer Finanztechnologien auswirken können. Das Vertrauen in bewährte Anlageformen und persönliche Beziehungen ist oft höher als in neue, digitale Finanzprodukte.
  • Digitale Immigranten statt Digital Natives: Im Gegensatz zu jüngeren Generationen wie der Gen Z, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind („Digital Natives“), mussten sich Baby-Boomer diese Fähigkeiten im Laufe ihres Lebens aneignen („Digitale Immigranten“). Dies erfordert oft einen bewussteren Lernprozess und kann anfangs als überwältigend empfunden werden.
  • Sicherheitsbedenken: Ein wesentlicher Faktor ist die Angst vor Betrug, Datenmissbrauch und unsicheren Online-Transaktionen. Viele Baby-Boomer machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Daten und die Preisgabe persönlicher Informationen im Internet.
  • Datenschutz- und Sicherheitsbedenken (verstärkt): Die genannten Sicherheitsbedenken werden durch das Gefühl der erzwungenen Nutzung noch verstärkt. Wenn man sich ohnehin nicht sicher fühlt, aber gezwungen ist, digitale Dienste zu nutzen, wächst das Unbehagen.
  • Fehlende Unterstützung: Nicht jeder Baby-Boomer hat im persönlichen Umfeld jemanden, der bei Fragen oder Problemen mit neuen Technologien helfen kann. Während jüngere Generationen oft bereit sind, ihre Eltern und Großeltern in die digitale Welt einzuführen, ist dies nicht immer gegeben.
  • Gefühl der Herablassung: Studien zeigen, dass sich ein signifikanter Anteil der Baby-Boomer von vielen Technologieunternehmen herablassend behandelt fühlt. Dies kann die Bereitschaft, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, zusätzlich hemmen.
  • Komfortzone und fehlender Anreiz: Einige Baby-Boomer fühlen sich im Umgang mit dem Status quo bereits wohl und sehen keinen zwingenden Grund, sich aktiv mit den neuesten Technologien auseinanderzusetzen, insbesondere wenn sie auf Unterstützung von jüngeren Familienmitgliedern zählen können. Dies kann als „Weigerung zu lernen“ interpretiert werden, obwohl die Fähigkeit dazu vorhanden wäre.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Internetnutzung bei den Baby-Boomern zunimmt und ein Großteil von ihnen sich im Umgang mit neuen Technologien im Mittelfeld einordnet. Viele Baby-Boomer erkennen auch zunehmend die Vorteile, die Technologie bieten kann, und zeigen Interesse an Bereichen wie KI, Blockchain oder Biometrie.

Der gesellschaftliche Fokus müßte  auf gezielter Förderung dieser Generation und dem Abbau ihrer (berechtigten) Unsicherheiten liegen.

Das kann diese kapitalistische Gesellschaft mit ihrer Orientierung auf Profit und Krieg (der Stärkere gewinnt und überlebt!) aber nicht leisten.

Titelbild-Quelle: Großes Master Reseller Stockfoto Pack, Technology 019

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