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Ich kann nicht tanzen!

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„Ich kann nicht tanzen, weil mein Vater mich nicht zur Tanzschule ließ.“

Mein Erlebnis:

In meiner Jugend lernte man noch Tanzen. Man ging in eine Tanzschule am Abend und lernte dort in einer Gruppe von Tanzwilligen bei einem professionellen Tanz-Lehrer verschiedene Tanzschritte und Tänze wie Walzer, Foxtrott, Tango u.a.. So ein Tanzkurs dauerte ein paar Wochen. Natürlich wollte ich in meinem jugendlich-pubertären Alter auch gern Tanzen lernen, schon, weil man damals dabei die erste Gelegenheit gehabt hätte, ein Mädchen in den Arm zu nehmen und einen weiblichen Körper zu spüren.

Aber, mein Vater erlaubte mir den Besuch der Tanzschule in Senftenberg nicht. Mein Bitten und Flehen und auch die Intervention eines meiner Lehrers half nichts. Er bleib hart. Ich verstehe seine Motivation bis heute nicht. Also keine Tanzschule für mich, kein Tanzen lernen. Doch ich litt als junger Mensch darunter, denn ich war der EINZIGE meiner ganzen Schulklasse, der nicht an der Tanzschule teilnahm. Am Tag nach der Tanzschule verstand ich als Außenseiter natürlich nicht, worüber meine männlichen Mitschüler tuschelten und sich vergnügten. Ich war ja nicht dabei.

Viel später wurde ich als Manager („sozialistischer Leiter“) im VEB Kombinat Carl Zeiss Jena eingesetzt. Es war dort eine Tradition, daß dann ein Fest des gesamten zu führenden Bereichs organisiert wurden. Dabei war es üblich, daß der neue Chef eine Begrüßungsansprache hielt, sich dabei vorstellte und verkündete, wie er sich als Neuer die Zusammenarbeit vorstellt. Diese kleine Rede war für mich weniger ein Problem. Aber im Anschluß an diese Rede war es weiterhin üblich, daß der neue Chef mit seiner persönlichen Sekretärin den anschließenden Tanzabend allein auf der Tanzfläche unter den kritischen Augen aller eröffnete. Oh, weh!!!  Ich konnte doch nicht tanzen. Das war also ein Riesenproblem für mich. Meine damalige Sekretärin Rita freute sich jedoch über den anstehenden Abend, weil sie eine echte „Tanzmaus“ war. Jede Woche schwärmte sie von den erlebten schönen Tanzabenden. Dabei war sie sogar etwas korpulent, doch Tanzen konnte sie offenbar sehr gut und freute sich nun auf ihren öffentlichen Auftritt mit mir beim Betriebsfest. Da ich von ihrer großen Tranzfreude und Erwartungshaltung wußte, fand ich einfach keinen Weg, vor diesem Abend mit ihr über meine Kalamität zu sprechen. So kam die Sekunde am besagten Abend, daß ich sie nach meiner Kurzansprache am Tisch aufforderte, mit mir den Tanzabend zu eröffnen. Doch als die kleine Musik-Kapelle einen schönen Walzer zu spielen begann, begann auch meine Image-Katastrophe. Ich hörte in meiner Vorstellung schon die Überschrift des Flur-Gezwitschers im Werk: „Der Psychiater – so nannten mich die Technologen dort „liebevoll“ – als steifer Tanzbär“. Nun, meine Sekretärin merkte natürlich schnell, daß das Tanzen mit mir irgendwie nicht funktionierte. Ich stolperte über ihre Füße. Sie versuchte entschlossen, die Lage zu retten, und übernahm die Führung unserer Tanzbewegungen. Aber, das klappte mit mir ja noch weniger. Als ich dann sah, daß die ersten Teilnehmer meiner neuen betrieblichen Mannschaft zu lachen anfingen, brach ich „meinen Tanz-Reinfall von Jena“ ab, eröffnete den Tanzabend für alle und begleitete meine enttäuschte Sekretärin an unseren gemeinsamen Tisch. Dort begann ich ihr zu erklären, daß ich leider das Tanzen nicht gelernt hätte, weil mein Vater mich nicht in die Tanzschule ließ. Meine Sekretärin lachte laut und herzlich und wollte sich nicht beruhigen. Schließlich fragte sie mich ernst: Wie alt bist Du? Ich stammelte mein Alter. Sie fragte weiter: Und, mußt Du etwa heute etwa immer noch Deinen Vater fragen, ob Du die Tanzschule besuchen darfst?

Durch meine kluge Sekretärin wurde mir in dieser Situation schlagartig etwas Wichtiges im Leben klar: In unserer Kindheit bekommen wir manchmal etwas nicht oder wir dürfen etwas nicht lernen (warum auch immer es die Eltern nicht erlauben oder sich leisten können). Aber wenn wir dann später selbst erwachsen sind und vielleicht sogar eigene Kinder haben, dann können wir vieles davon selbst neu entscheiden und vielleicht lernen. Dann ist die Verantwortung dafür auf uns selbst übergegangen und wir können die Schuld für Dinge in der Kindheit nicht mehr den Eltern geben.

Aber ehrlich gesagt, bin ich körperlich schon etwas steif und wenig beweglich und deshalb ist Tanzen (vielleicht) nicht wirklich mein Vergnügen in diesem Leben.

Heute braucht man nicht mehr Tanzen können und dafür eine spezielle Tanzsschule absolvieren, weil jeder nach Musik so tanzt wie ER will, nicht mehr Mann und Frau zusammen und nicht mehr, wie es eine Tanz-Kultur der Gesellschaft vorgibt. Das gibt es nur noch in den „unterentwickelten“ Ländern wie Kuba, wo die lebensbejahenden und glücklichen Menschen viel tanzen.

Doch, dabei ist „richtiges“ Tanzen-Können eines zweigeschlechtlichen Paares wirklich etwas sehr Schönes.

Shall We Dance? ‘Be This Alive’ – Jennifer Lopez, Richard Gere

Antonio Banderas – Take the Lead – Tango Scene

Leonard Cohen – Dance Me To The End Of Love

Walzer Nr. 2 (Dmitri Schostakowitsch: Walzer Nr. 2  

 

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